Film-Review: Super Mario Bros.

Der Film Super Mario Bros. ist wohl die berühmteste Videospiel-Verfilmung, und hat ein unermessliches Vermächtnis mit sich gebracht: Von Kritikern zerrissen, von Videospielfans gehasst, gilt er nicht einfach nur als schlechte Verfilmung, sondern als Grundstein der These, dass Videospielumsetzungen einfach nicht funktionieren. Bis heute hält sich dieses Klischee und wird meist leider auch bestätigt.

 

Mario und Luigi

 

Ich habe Super Mario Bros. mehrmals als Kind gesehen – etwa im Alter zwischen 11 und 15 Jahren, und zwar jeweils einmal im Kino, einmal auf Video aus der Videothek, und dann noch einmal irgendwann, als er im Fernsehen lief. Meine letzte Berührung ist damit weit über anderthalb Jahrzehnte her, in der Zwischenzeit habe ich (als großer Nintendo-Fan) lediglich Berichte, Wikipedia-Einträge und ähnliches gelesen, viel über die desaströsen Umstände rund um die Produktion erfahren, und zur Kenntnis genommen, dass selbst Nintendo sich erst 20 Jahre nach dem Kinostart zum ersten Mal offiziell äußerte: Man müsse es dem Film zugutehalten, dass er unter Beweis gestellt hat, wie tief Super Mario damals in der Popkultur verankert war. Nun gut. Das ist Diplomatie.

Richtige Nintendo-Filme gab es nach Super Mario Bros. nicht mehr, lediglich die Pokémon-Anime-Serie und -Filmreihe sowie eine Anime-Umsetzung von Animal Crossing kommen in die Nähe. Über Verfilmungen von Metroid und The Legend Of Zelda wurde zwar immer wieder mal gemunkelt, so richtig ist aber nichts zu Stande gekommen.

Es wäre also angesichts dieser Geschichte ein Leichtes, den Film mal wieder anzuschauen, zu lästern, und sich darin bestätigt zu fühlen, wie grandios alle Beteiligten dieses Machwerk anno 1993 vermurkst haben. Aber das möchte ich nicht. Ich habe mir vor Kurzem Super Mario Bros. angesehen, und mir dabei fest vorgenommen, alles, was ich über Super Mario weiß auszublenden, und den Film von einem völlig neutralen Standpunkt zu betrachten. Was schwierig ist, da ich mich zwar sehr gut mit Nintendo, aber nur äußerst oberflächlich mit Filmen auskenne. Daher ist das Folgende auch eine rein subjektive Bewertung.

Super Mario Bros. ist eine Science-Fiction-Komödie, deren Grundprämisse die Existenz einer alternativen Realität ist, in der nicht Säugetiere, sondern Echsen die herrschende Spezies geworden sind, und sich zu Menschen entwickelt haben. Ganz so toll kann diese Variante der Evolution aber nicht verlaufen sein, denn die Welt der Echsenmenschen ähnelt selbst an ihren schönsten Flecken den Orten, die New Yorker lieber nicht im Dunkeln aufsuchen würden. Zudem besteht die gesamte Echsenzivilisation aus nur noch einer einzigen Großstadt auf einem ansonsten verödeten Planeten. Über den Moloch aus Korruption, Verbrechen und Moralverfall herrscht der Industriemagnat Koopa mit eiserner Hand, nachdem er den König des Landes mittels eines selbstentwickelten De-Evolutionsstrahles in einen primitiven Pilz verwandelt hat. Was er nicht bedacht hat: Als Pilz breitet sich der König, der noch über eine gewisse Restintelligenz verfügt, nun in der ganzen Stadt aus. Koopas Plan, um ’sein‘ Reich wieder zur Blüte zu bringen: er will die Dimensionen verschmelzen, was nur mit einem geheimnisvollen Stein gelingen kann. Den jedoch hat die Prinzessin des Reiches, und diese wurde schon als Baby durch ein Dimensionsloch ‚außer Landes‘ gebracht ‚ eben deshalb, damit Koopa nicht an den Stein herankommt.

Ein „Gumba“. Hat wenig mit richtigen Gumbas zu tun.

In unserer realen Welt, genau genommen in Brooklyn, New York, wächst das Kind mit dem Namen Daisy auf, wird Archäologin an der New York University, und stößt eines Tages bei einer Ausgrabung nach Dinosaurierfossilien auf das Dimensionstor. Sie wird (genau wie zahlreiche andere junge Frauen aus New York) von Schergen Koopas entführt, so dass dieser seinen Plan nun in die Tat umsetzen kann. Dem stünde fast nichts mehr im Weg – hätte Daisy nicht kurz zuvor per Zufall zwei erfolglose Klempner kennengelernt und sich ein wenig in den jüngeren der beiden verliebt. Die Brüder setzen Daisys Entführern nach, schlagen sich ebenfalls in die Paralleldimension durch, und ersinnen einen Plan, Daisy zu retten und Koopas Vorhaben zu vereiteln.

All das ist sicher kein Oscar-reifes Drehbuch, und stünde nicht Mario darauf, wäre dieser solide gemachte, weder sonderlich großartige noch sonderlich miese Popcorn-Film in kürzester Zeit in Vergessenheit geraten. Denn eines ist Super Mario Bros. ganz sicher nicht: Ein durch und durch schlechter Film. Im Gegenteil: In seinen besten Momenten machen die Actionszenen verdammt viel Spaß, allein die an Mad Max angelehnten, mit Schaufeln und Kuhfängern ausgerüsteten Polizei-„Autos“ wissen zu begeistern. Den Weltentwurf einer düsteren, degenerierten, moralisch verfallenen Cyberpunk-Welt mögen Werke wie Blade Runner oder Akira besser umgesetzt haben, schlecht ist er dadurch aber noch lange nicht. Insofern sehe ich Super Mario Bros. als allererstes als Parodie auf dieser Art von Filmen, wie es sie in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern zu Hauf gab. Und diese Parodie funktioniert. Die Welt ist düster und verkommen genug, um Cyberpunk-Fans zu gefallen: Trucks, von deren Motorhauben skelettierte Leichen hängen, Fetisch-Nachtclubs, korrupte Polizisten und über allem der allgegenwärtige Siff, den der sich ausbreitende Pilz-König entstehen lässt, machen Dinohattan zu einer gelungenen Kulisse. Zumal die Anzahl der Statisten erstaunt: Brechend voll ist fast jede Szene in den Straßenschluchten, egal, ob dort gekämpft, geschossen oder gefahren wird.

Und dennoch ist der Film lustig: Die Dialoge sind vielleicht kein Comedy-Gold, bringen aber oft und effektiv zum Lachen. „Das ist aber nicht Manhattan“ bemerkt Luigi trocken, als er die völlig verkommene Stadt zum ersten Mal sieht. „Naja, ich war lange nicht mehr dort, also…“ antwortet Mario. Die mutierten Elitesoldaten – strohdumm, aber kampfkräftig – werden in einer Szene von den Brüdern aus dem Konzept gebracht, indem diese italienische Schlager spielen und die Soldaten zu schunkeln beginnen. „Wie bist Du DARAUF gekommen?“ – „Naja, jeder schunkelt doch gerne.“ Das sind Dialoge, die sich vor den ganz großen Klassikern wie „Ich hab an überhaupt gar nichts gedacht!“ eines Ghostbusters eigentlich nicht verstecken müssen.

Prinzessin Daisy und Yoshi

Und was hält Super Mario Bros. nun für Mario-Fans bereit? Wenig. Selbst das Grundkonzept stimmt, bis auf die Tatsache, dass ein machtbesessenes Echsenwesen sich zum illegitimen Herrscher aufschwingt und zwei Klempner ihm den Garaus machen, nicht mit den Spielen überein. Alles andere sind bloß Worte: Die meisten Charaktere und Einrichtungen tragen zwar Namen aus den Spielen, mit den originalen Trägern dieser Namen haben sie aber zumeist kaum etwas zu tun. Es gibt eine aggressive Nachtclub-Besucherin in Fetisch-Latex-Kleidung, die ihren Namen Big Bertha von einem Fisch aus den Spielen übernommen hat; der Hersteller von druckluftgetriebenen Flug-Stiefeln ist nach Thwomp, einem Steinmonster benannt. Selbst ein Geschäft namens Mr. Video (Der ursprünglich für den Spiele-Mario geplante Name) ist vorhanden. Das einzige Element, das überhaupt direkt aus den Spielen stammt, ist die Minibombe Bob-omb, die paradoxerweise im Film einen ganz anderen Namen hat. All diese visuellen Gags und Cameos haben jedoch eins gemeinsam: Sie sind irrelevant. Nicht das kleinste Detail bezieht sich explizit auf die Spiele, der ganze Film würde keinen Deut anders aussehen und ablaufen, wäre er ein originales Werk mit eigenen Namen und Figuren.

Und das ist die große Crux von Super Mario Bros.. Dieser Film IST KEINE VIDEOSPIELVERFILMUNG! Er ist eine durchaus unterhaltsame, handwerklich solide gemachte, actionreiche Parodie auf Cyberpunk, Parallelwelt-Sci-Fi und Postapokalypse, funktioniert als solides Popcorn-Kino und hat einige Momente, in denen der Sprücheklopfer-Humor wirklich gut gelungen ist.

Es verwundert nicht weiter, dass Mario-Fans ihn als Fehlschlag, als nicht werktreu, als regelrechte Beleidigung gegenüber Shigeru Miyamotos Werk empfinden. Das ist legitim, denn wenn man als Maßstab herannimmt, eine Geschichte des Mario-Universum nachzuerzählen, umzuinterpretieren oder auch nur zu „remixen“, dann versagt der Film auf ganzer Linie. Dies ist kein Mario-Film. Dies ist keine Videospiele-Verfilmung. Es ist noch nicht mal ein Kinderfilm.

Macht man sich jedoch von alledem frei, ignoriert, was der Film sein wollte oder sollte, und sieht ihn als das, was er ist, dann muss man sich auf eine Überraschung einstellen. Denn er ist gar nicht so übel.

Notizen zur DVD-Veröffentlichung:
Die von Concorde 2010 veröffentlichte, überarbeitete Fassung enthält neben dem Film selbst mit deutscher und englischer Tonspur (keine Untertitel) den amerikanischen Kinotrailer und ein etwa fünfzehnminütiges Making Of als deutsche Erstveröffentlichung. Dieses stammt aus dem Jahr 1993, und dementsprechend begeistert ist der Sprecher über die noch nie dagewesene Effekttechnologie, die im Film verwendet wird. Etwas bizarr wirken auch die O-Töne einiger Schauspieler: Während die zu Wort kommenden Nebenrollen hellauf begeistert sind, hat Dennis Hopper, der viele Jahre später von allen Beteiligten am deutlichsten seine Abneigung dem Film gegenüber äußern wird, schon in diesem Making Of nur den einen Satz „Ich spiele den Echsenkönig Koopa“.

Trotz seiner Kürze und seines geringen Informationsgehalt (es ist mehr Werbung als eine echte Dokumentation) ist das Making of sehenswert.
Das sowas allerdings auch besser geht, hat die Wiederveröffentlichung der alten Turtles-Filme gezeigt: Dort hat der Regisseur extra für die deutsche Blu-ray einen neuen Audiokommentar aufgenommen, der, allein schon durch die zeitliche Distanz, enorm informativ und hörenswert wurde. So etwas wäre für den Mario-Film ein Traum – doch wird sich wohl kaum jemand finden, der bereit wäre, noch einmal ausführlich öffentlich darüber zu sprechen, und dabei auch aus dem Nähkästchen zu plaudern und vor den Schattenseiten keinen Halt zu machen.

Die frühere DVD von Arcade Video ist allenfalls für Sammler interessant: Sie enthält nur den Film, nur die deutsche Tonspur, und überhaupt keine Extras, ist also inhaltsgleich mit der VHS. Sämtlichen Fassungen fehlt die Bonusszene, die ursprünglich nach dem Abspann kam – aber problemlos bei YouTube gefunden werden kann.

Eine Blu-ray erschien ausschließlich im Vereinigten Königreich, zu deren Qualität kann ich nichts sagen.

VHS, erste DVD, zweite DVD, Buch und Soundtrack zum Film

Ich habe diese Rezension ursprünglich für Amazon verfasst.

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